Freitag, 24. Mai 2013

Über den Blog

Berlin: ein Schmelztiegel und Nebeneinander verschiedener Kulturen und Menschen mit ihren Lebensentwürfen, Alltagsroutinen und Visionen.


Kim und Ulli, Studenten_Innen, streifen durch die verschiedenen Viertel und charakteristische Orte der Stadt: die U-Bahn, Parks, Cafés, das Jobcenter, die Uni, die Bank...

Dort begegnen sie der Alltagswelt der Berliner und wundern sich über die verschiedenen gesellschaftlichen Erwartungen und Imperative, die sie darin finden: z.B. das Schweigen in der U-Bahn, das Streben nach Effizienz und Wachstum, die Schlagzeilen der Bildzeitung, die gegensätzlichen Vorstellungen von einem gelungenen Einkauf...

Sie treffen unterschiedliche Menschen mit ihren verschiedenen Lebenskonzepten und Lebenswelten und sind erstaunt über die scheinbar absoluten Gesetze, die in einem Bereich uneingeschränkt gelten und im nächsten schon wieder vollkommen anders sind.

Darunter befinden sich ihre Freunde:

Ginny: die vegane Weltverbesserin, die ständig auf Demos für die bessere Welt kämpft.

Oscar: der Homo Oeconomicus, der sich am liebsten dem Spiel mit seinem I-Phone hingibt.

Savinda: der spirituelle Yogi, der sich ganz dem Bewusstsein gewidmet hat.

Dave: der Künstler aus Prenzlauer Berg, der nachts mit einem Glas Sekt Vernissagen beiwohnt und nachmittags Frühstücken geht .

Prof. Peter Luckmeier: der Neurobiologe und Verhaltenstherapeut, der den Menschen als ein Ensemble von Neuronen und Aktionspotenzialen enttarnt hat.

... und weitere! 


Streifzug Kim: Rastlosigkeit

Berlin, ein Tempel der Rastlosigkeit.

Ich sitze mit Ginny im Boxhagener Park in Friedrichshain, wo sie mir von einem seltamen Gefühl der Unruhe erzählt, das sie seit einiger Zeit überkommen hat.

Es ist einer der ersten Frühlingstage in Berlin. Nach dem elend langen Winter, der sich noch bis weit in den April gezogen hat, kämpfen sich die ersten Sonnenstrahlen durch die ewig grauen Wolken und beleuchten den Platz mit Heiterkeit. Wie das im Berliner Frühling so ist, kann man die Freude der Menschen über das Ende der grau winterlichen Trostlosigkeit fast spüren: zwei kleine Mädchen spielen Fussball auf der Wiese, ein Typ mit tätowierten Armen sitzt im Gras und zupft genüsslich an seiner Gitarre, das lesbische Pärchen auf der Bank hält demonstrativ eine Eiswaffel in der Hand und eine Gruppe von Hippies sitzt trommelnd auf dem Rasen.



"Es ist diese Stadt", klagt Ginny und starrt finster auf das Schokoladensojaeis in ihrer Hand. "Es passiert einfach immer zu viel zur selben Zeit. Ständig müsste man an tausend Orten gleichzeitig sein.” Sie leckt hektisch an ihrem Eis, das schon anfängt zu schmelzen und an einer Stelle die Waffel hinab tropft. 

Neben uns sitzen meine Freunde Savinda und Oscar, von denen allerdings keiner den Eindruck macht als würde er zuhören. Savinda hat die Beinde übereinander geschlagen und scheint zu meditieren. Entweder das, oder er lauscht Ginny mit geschlossenen Augen in größter Konzentration. Bei Savinda weiß man das ja nie so genau. Oscar spielt mit seiner Neuerwerbung, dem I-Phone 5, auf dem er mit liebevoll verzückter Mine herumtippt. Ab und zu schaut er kurz auf und macht "hmm, ja stimmt”, wobei die Kommentare selten zu dem passen, was Ginny und ich gerade sagen. Ich nicke Ginny aufmunternd zu um zu demonstrieren, dass zumindestens einer ihr zuhört.


 "Weißt du, wie viele Termine und Verabredungen ich dauernd habe?" 
Sie scheint die mangelnde Aufmerksamkeit der anderen gar nicht wahrzunehmen. 
Düster starrt sie zu den trommelnden Hippies herüber, die sich mit geschlossenen Augen zu ihrem Rythmus hin und her bewegen. 
"Ständig sitze ich in der U-Bahn und hetzte von einer Demonstration zur nächsten. Dann zum Kaffeetrinken, zur Party... und trotzdem hab ich immer noch das Gefühl, als würde ich ständig etwas verpassen." Sie stöhnt. "Das ist so was von anstrengend.”



"Hm.” Nachdenklich zupfe ich etwas Gras von der Wiese. Ihre Worte klingen seltsam vertraut. Ständig etwas tun zu müssen und von einem Ort zum anderen zu eilen. Das kommt mir sehr bekannt vor. 

Ich selbst saß gerade noch im Vorlesungssaal in Dahlem, bin dann stracks zur U-Bahn gelaufen um nicht zu spät zum Treffen mit Ginny zu kommen und habe während der vierzigminütigen Fahrt nach Friedrichshain in der U-Bahn noch eben einen Text über die soziale Konstruktion der Wirklichkeit gelesen. Gerade an der Stelle, in der es um die gesellschaftliche Formung unserer Alltagszwänge ging und ich mich fragte, wer eigentlich bestimmt, was ich ständig tun muss, wo ich doch eigentlich als junger Mensch in Berlin so frei und unabhängig sein sollte, hielt die Bahn an der Warschauer Straße und ich musste aussteigen, weiter eilen. 
Jetzt bleibt mir zwar keine Zeit mehr, um über die Sache mit den gesellschaftlichen Zwängen nachzudenken, aber immerhin, einen von zehn Unitexten abgehakt. Ständig dieses Textelesen das einfach nie aufhört. 
Manchmal wache ich morgens auf und das erste, woran ich denke ist die Frage, welchen Text ich als ersten lesen muss. Das finde ich ein bisschen erschreckend. Ich frage mich, ob es das gleiche Gefühl von Rastlosigkeit ist, von der Ginny spricht. 

Sie fährt fort: "Auf der Demo frage ich mich, ob ich nicht lieber zu meiner Verabredung zum Pizzaessen hätte gehen sollen und beim Pizzaessen hab ich ein schlechtes Gewissen, weil ich vielleicht besser auf einer Demo wäre und stattdessen dekadent beim Italiener sitze.." Unglücklich beginnt sie an ihrer Waffel zu knabbern. 

Der Typ mit der Gitarre ein Stück weiter fängt an leise zu summen. Er sitzt unter einem Kirschbaum, der seine blasslila Blüten in die Sonne streckt. Ziemlich schön sieht das aus. Berlin im Frühling ist wirklich schön. 

Die beiden kleinen Fußball spielenden Mädchen kicken ihren Ball zu uns herüber. Sie kichern. Mechanisch wirft Ginny ihn zurück. 
"Ich bin so etwas von müde. Aber ich kann auch nicht mal für einen Moment still halten, weil es ja immer etwas Neues zu tun gibt. Es ist diese Stadt! Ist dir schon mal aufgefallen, wie schnell in Berlin die Ampeln von grün auf rot schalten? Immer wird erwartet, dass man in Bewegung ist. Es gibt einfach zu viel zu tun.”

Ich muss das Pärchen auf der Bank anschauen, das sein Eis fertig gegessen hat und jetzt Zeitung liest. Der Tatoomann mit der Gitarre singt noch lauter, er hat die Augen geschlossen und scheint vollkommen versunken in seiner Musik. Etwas weiter sitzen ein paar Jungs und sonnen ihre Sixpackbäuche, ihr Gelächter wird vom Wind des violetten Kirschbaums herübergetragen. 
Seltsam, die Leute in diesem Park wirken so friedlich, so versunken im Moment. Was für ein Kontrast zu Ginnys Worten. 


"Rastlosigkeit.” Ich schaue mich auf der Wiese um. Der meditierende Savinda atmet laut und tief. Selbst Oscar sieht aus wie ein kleiner Junge, der sich voller Hingabe seinem Spielzeug widmet. Der Park wirkt so wenig rastlos. Hält Berlin im Frühling für ein paar Momente still? Oder denken doch alle gerade an all die tausend Dinge, die sie gerade tun müssten? 

"Ich frage mich, wer das alles bestimmt.” Ich schaue Ginny an, die an ihren schwarz lackierten Fingernägeln knibbelt. "Meine Unitexte, die Leute die wir treffen, deine Demos... wieso machen wir das alles ständig... und setzen uns nicht einfach hin und... und meditieren, so wie Savinda?”

"Meditieren”, brummt Ginny verächtlich und wirft dem laut atmendem Yogi einen leicht abschätzigen Blick zu. "Was soll das denn bringen, wenn ich anfange zu meditieren? Für wen tue ich das denn? Doch nur für mich selbst. Zu Demos gehe ich ja, um was zu verändern. Deshalb ließt du doch auch deine Texte, oder?” Sie mustert mich scharf.

"Äh, jaa...” Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber unter Ginnys kritischem Blick scheint es mir ratsamer zu sein, zustimmend zu nicken.

"Um was gesellschaftlich zu verändern, stimmt's? Deshalb studiert man ja wohl so was wie Philosophie oder Politik. Um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verstehen und sie dann zu revolutionieren!” 

"Ähm, jaah. Wahrscheinlich...”

"Ja siehst du. Es gibt schon einen Grund dafür, dass ich so rastlos bin. Deshalb bin ich ja nach Berlin gekommen. Weil man hier etwas verändern kann. Es gibt einfach so viel zu tun!” Ginnys Stimme bekommt wieder einen leicht verzweifelten Tonfall. "Aber manchmal ist es irgendwie einfach zu viel. Wäre doch schön, wenn ab und zu mal die Zeit stehen bleiben würde.” 
Sie blickt noch mal zu den trommelnden Hippies herüber und sieht dabei fast so aus, als würde sie die fremden Menschen ein bisschen beneiden. Dafür vielleicht, dass sie nichts anderes tun als dazusitzen und zu trommeln.

In dem Moment stößt Oscar überraschenderweise ein genervtes Schnauben aus. Mit ungeduldigem Blick schaut er von seinem I-Phone auf und blickt Ginny fest in die Augen. "Ich sage dir jetzt mal etwas, das dich wahrscheinlich ziemlich umhauen wird und das du gar nicht gerne hörst. Ich sag es aber trotzdem, ja?”

"Was denn?”, fragt Ginny misstrauisch.

"Du kannst die Welt nicht retten.”

"Was?”

"Du wirst die Welt nicht retten.”

"Was soll das denn heißen?”

"Das soll heißen, dass egal, was du machst, die Welt grundlegend so bleiben wird, wie sie ist. Ganz egal was du tust. Verstehst du? Du kannst zu dreimilliarden Demos gehen und jede Minute deines Lebens für irgendwelche Weltprobleme aufopfern. Es wird immernoch Armut geben und Kriege und Leid. So ist die Welt nun mal.”

Ginny starrt ihn wortlos an. Ihr scheint selbst nicht ganz klar zu sein wie sie auf das, was Oscar sagt, reagieren soll. Sie wirkt fast ein bisschen fassungslos, was bei Ginny eigentlich selten vorkommt. 

"Die Welt nicht retten”, murmelt sie leise vor sich hin, mehr zu sich selbst als zu uns. "Das ist doch Quatsch.” 
Sie schüttelt ungläubig den Kopf, ihre Rasterlocke fliegt hin und her. "Ich meine, das ist doch klar. Aber man kann doch kleine Dinge in der Welt verändern!”

Oscar zuckt gleichgültig die Schultern und greift wieder zu seinem I-Phone. "Vielleicht sorgst du ja irgendwann in deinem Leben mal dafür, dass ein paar Kinder weniger verhungern oder irgendwo die armen Näherinnen zwei Dollar mehr verdienen. Dafür ermodert dann irgendein Irrer wieder ein paar tausend Menschen, irgendwo gibt es eine Naturkatastrophe die ein paar Millionen in die Armut stürzt und bei einem Terroranschlag bricht die halbe Welt zusammen... es gibt immer Schlechtes und das wird sich auch nicht ändern. Wenn du dich damit mal abfinden würdest, dann könntest du auch endlich mal aufhören von einer Demo zur anderen zu hetzen und dein Leben danach zu richten, was du tun solltest. Dann könntest du auch mal bisschen dein Leben genießen, so wie ich, oder wenigstens meditieren so wie Savinda.” 
Er grinst und betrachtet den meditierenden Mann neben sich mit einem sarkastischen Blick, den Savinda natürlich nicht bemerkt weil er noch immer die Augen geschlossen hat.


Ginny schüttelt den Kopf. "Das stimmt doch nicht. Das stimmt einfach nicht. Man kann sein Leben nicht einfach egoistisch vor sich hin leben! So soll denn da der Sinn sein? Selbst Savinda mit seiner Meditation muss doch irgendwas anderes damit bezwecken als nur sich selbst zu befriedigen.” 
Sie klingt schon wieder verzweifelt und zieht leicht an Savindas orangenen Umhang. "Mann, sag du doch auch mal was. Du hast doch sonst immer die ganzen Weisheiten.” In ihrer Stimme liegt fast etwas Flehendes. "Es macht ja wohl einen Unterschied, was man als Einzelner tut oder?”

Savinda fährt aus seiner Yogihaltung hoch und reibt sich einen Moment lang verwirrt über die Augen. Dann lächelt er Ginny strahlend zu.
"Ginny.” Er legt ihr die Hand auf die Schulter und schaut ihr tief in die Augen. "Alles ist Bewusstsein.”

Oscar hängt schon wieder über seinem I-Phone und Ginny seufzt laut. "Kannst du nicht einmal einfach meine Frage beantworten?”

"Da gibt es eben nicht viel zu sagen”, brummt Oscar triumphierend ohne aufzusehen. "Ich hab doch Recht.”

"Ja und nein”, sagt Savinda und wiegt den Oberkörper dabei von einer Seite zur anderen. 

Er schaut sich um und sieht wohl zum ersten Mal die Hippies vor uns, die noch immer trommeln, das Pärchen mit dem Eis, der Typ mit den Tatoos der jetzt an einem Bier nippt. All die Menschen im Park, die den Berliner Frühling zelebrieren. Savinda lächelt, anscheinend gefällt ihm die Szene. "Alles ist eins”, sagt Savinda mit leiser Stimme die klingt wie ein Pendel, das langsam hin und her schwingt. "Das, was du Gut nennst und das, was du Böse nennst. Alles gehört zusammen. Alles ist Bewussstsein.”

"Ja klar”, schnaubt Ginny. "Also den Baum hier”, sie deutet auf den blühenden Kirschbaum. "Den gibt's eigentlich gar nicht, ja? Das ist alles nur in meinem Kopf oder was? Und die sterbenden Kinder in Afrika und die armen Bauern in Süd Amerika, den kann man am besten auch einfach sagen dass ihr ganzes Leid ja nur Bewusstsein”, sie spuckt das Wort aus wie ein besonders obzönes Schmipfwort, "also alles nur in ihrem Kopf stattfindet, ja? Na toll.”

Savinda hat noch immer sein mildes Lächeln auf den Lippen, das er sowieso nur selten ablegt.

Als er nicht antwortet, mischt sich stattdessen wieder Oscar ein: "Es ist doch sowieso vollkommen egal, was du den armen Kindern erzählst, du kannst ihnen doch überhaupt nicht richtig helfen. Höchstens vielleicht ein paar ganz wenigen von Milliarden! Was macht das denn für einen Unterschied? Und dafür lebst du dein ganzes Leben lang nur gestresst.”

Savinda wiegt den Kopf hin und her. 

"Alles ist Bewusstsein”, sagt Savinda noch einmal. Er legt seine zweite Hand auf Oscars Knie (der wackelt unwohl mit dem Bein, er mag zu nahen Körperkontakt mit Männer nicht besonders) und lächelt mir zu, als wollte er mich mit seinen Augen berühren. "Wenn alles Bewusstsein ist, dann gibt es auch keine Vergangenheit und keine Zukunft. Nur den bewussten Moment. Dann ist der Unterschied, den du machst, ob du das, was du tust, bewusst tust.” Er legt so erfreut die Hände aufeinander, als wären nun alle Fragen geklärt.

Tatsächlich schließt er dann wieder die Augen und widmet sich seiner Meditation. 

Oscar stößt einen Seufzer aus und streichelt sein Handy. Ginny blickt in die Sonne und ich rupfe noch etwas Gras aus dem Boden. Die Hippies trommeln noch immer. Sie haben die Augen geschlossen und wirken so, als wären sie völlig versunken in der Musik. Der Tatoomann mit der Bierflasche hat sich in der Sonne ausgestreckt und strahlt eine eigenartige Gelassenheit aus. Das Pärchen auf der Bank blättert versunken in einer Zeitung. 
Ist es das, was Savinda meint wenn er davon redet, etwas bewusst zu tun? Ich muss daran denken, wie Leute normalerweise durch die Straßen hetzen, bei rot über die Ampeln rennen, Fahrrädern aus dem Weg springen, sich gegenseitig beschimpfen. 
Machen diese Menschen mit ihrer Ruhe und der Art, wie sie im Moment leben, irgendeinen Unterschied?

Gedanken Ulli: Freiheit aushalten! Und was tun?

'Was soll ich tun? "Everything goes", heißt es in der Postmoderne. Wir leben in einer "Multioptionsgesellschaft", sagt der Intellektuelle. Unsere neue Bürde des Seins. Ein Luxusproblem? Wahrscheinlich. Kreativ sein muss man auf jeden Fall. Sich selbst erfinden. "Werde, was du bist.", das fand schließlich schon Nietzsche. Und was bin ich?  Muss ich dafür erst auf den Grund des Seins dringen? "Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.", findet Faust. Warum fallen mir eigentlich die ganze Zeit so blöde Zitate ein? Bin ich das, was die anderen von mir denken? Oder das, was ich selbst von mir denke? Vielleicht sollte ich mal schnell ein Bild von mir auf Facebook posten um meine Identität festzuhalten. Oder gar einen Blog-Text. Klingt irgendwie oberflächlich.

Heutzutage gilt der Imperativ der Offenheit. Es gibt immer jemanden, der die Welt fundamental anders versteht. Es gibt immer einen anderen Ort, an dem man gerade sein könnte. Es gibt immer andere Dinge, die man tun könnte.

Ich kann mich auch einfach entscheiden und mich in eine feste Struktur begeben, anstatt jedes Mal alles zu hinterfragen. Wäre weniger anstrengend, oder? Mein Leben durchplanen bis zum Ende und über das Ende am besten nicht so genau nachdenken. Angebote gibt es ja genug. Und alle wissen, wies geht. Was man darf und was man nicht darf. Was man unbedingt tun sollte und was man lassen sollte. Wohin man zu streben hat und was man zu vermeiden hat. Da muss ich doch nur Milton Friedman oder auch Rudolf Steiner lesen. Dann gehe ich in meine sichere Wohnung und mache die Tür zu, nicht das noch ein Schwall von den anderen absoluten Wahrheiten hereinsickert.
Unbefriedigend? Aber besser, als depressiv werden, oder? Oder einfach:

                                

Ich bin durchaus privilegiert. Ich kann nämlich fast alles tun. Der Steuerzahler und meine Herkunft aus der bildungsbürgerlichen Mittelschicht haben mir schließlich mein Studium ermöglicht. Geld zum Reisen ist auch da. Ein Visum kriege ich, im Gegenteil zum Großteil des Rests der Welt für jedes Land. Sollte es dort zu Unruhen kommen, wird mich die Deutsche Botschaft schon rechtzeitig nach Hause bringen, weg von dem ganzen Tumult.
Habe ich dadurch eine Pflicht? Soll ich so und so viel Prozent meines Einkommens spenden, wie Peter Singer das tut und vorsieht, weil sich das einwandfrei philosophisch-logisch ableiten lässt? Oder ist das alles nur diskursiv konstruiert? Ich bin schließlich frei. Ist Geld also die Lösung oder sollte ich doch lieber gegens System und den Kapitalismus kämpfen? Vielleicht eine neue Theorie aufstellen, wie sich dieser nachhaltig beseitigen lässt? Irgendwie passiert dann ja manchmal doch ganz unerwartet etwas. Eine Revolution z.B. oder zumindest der Atomausstieg (und dann der Ausstieg aus dem Ausstieg). Aber ist das dann besser als vorher?

                              

Soll ich mich also praktisch politisch engagieren? Dann kämpfe ich mit Ginny auf der Straße für die Gleichstellung der Frauen, Veganismus und gegen den Klimawandel. Nur warum genau dafür und nicht für die ganzen anderen Sachen? Vielleicht sollte ich mich erstmal um die Welthungerhilfe für Afrika kümmern.
Oder sind die armen Kinder in Afrika vielleicht gar nicht so arm, sondern nur anders und brauchen meine Wertevorstellung und meine "Entwicklungshilfe" gar nicht?
Vielleicht sollte ich erstmal vor der eigenen Haustür kehren. Oder vor der meines Landes, denn die Mechanismen, anderen Ländern die eigenen materiellen Mittel zu entziehen, sind irgendwie doch real. Z.B. Zollbeschränkungen und Agrarsubventionen. Geht es also vornehmlich um materielle Mittel? Vielleicht nicht nur, aber doch auch.
Und dann gibt es noch so etwas wie die deutschen Leopard-Panzer in Saudi-Arabien, die nach Bahrain einrollen um Demonstrationen niederzuschlagen. Was tun? Noch ein paar hundert Leoparden und Boxer hinterherschicken. Und dann noch ein paar nach Indonesien.

Aber wo war jetzt nochmal der gemeinsame Feind? Den braucht man schließlich für die Revolution. Aber Feindbilder formen kommt mir irgendwie fragwürdig vor. Der Jude wars offensichtlich nicht, Kommunist oder Kapitalist sind ja irgendwie auch aus der Mode gekommen und 'das System' ist mir zu abstrakt. Vielleicht ist es dann doch der Chef von allem. Gibts den? Obama wars nicht, Merkel auch nicht und Josef Ackermann schafft ja auch nicht alles alleine. Nochmal gründlich Sozialwissenschaften studieren und 'das System' etwas entwirren, also.

Oder vielleicht ist es doch eher das Bewusstsein und ich sollte lieber bei mir selbst anfangen. Vielleicht sollte ich meditieren. Muss ich dafür nach Indien oder geht das auch so? Und bringt das dann nur was für mich oder auch für andere? Ich glaube, da muss ich nochmal Savinda fragen, aber für den ist ja sowieso 'alles eins', soweit ich mich erinnere. Vielleicht hat er ja sogar Recht und diese Erfahrung muss erstmal gemacht werden. Vielleicht muss sich ja gar nichts ändern und ich sollte einfach die Schönheit des Lebens noch mehr genießen. Es ist schon so viel da. Mal wieder mit Freunden feiern gehen oder raus in die Natur. Mache ich ja auch schon und das ist wirklich nicht schlecht! Wieso eigentlich immer mehr wollen? Und wieso unterstelle ich die ganze Zeit, dass irgendetwas schlecht ist? Fernseher ausschalten, Zeitung abbestellen.
Aber sehen das die ca. 100 Millionen Menschen, die unter der absoluten Armutsgrenze leben, auch so? Ich habe mal gehört, dass einige von ihnen glücklicher sind, als die Menschen in Mitteleuropa. Ob das wohl stimmt? Gibt auf jeden Fall zu denken. Es ist nicht zu bestreiten, dass es hier viele unglückliche Menschen gibt. Aber das kann keine Entschuldigung sein. Geld macht ja bekanntlich nicht glücklich, aber Essen schadet schließlich auch nicht.

Wieso denke ich eigentlich die ganze Zeit über andere nach, ich wollte doch über mich selbst nachdenken. Unverbesserlicher Weltverbesserer? Mag sein. Vielleicht ist das ja auch nicht schlecht? Würde ich also trotz oder gar durch Meditation noch ein bisschen was für den guten Zweck machen, welcher es denn auch immer sei? Oder einfach alles annehmen, wie es ist? Vielleicht würde ich konsequenter in der Mülltrennung, kaufe mir nie ein Auto und verwende all mein Geld auf Bioprodukte oder gehe Containern, auch wenn das nicht die Welt für alle rettet. Oder ich frage mal Verwandte, gute Freunde oder sogar den Unbekannten auf der Straße, wie es ihnen wirklich geht. Und höre einfach nur zu. Auch nach dem "Mir geht's gut und dir?", "Auch gut.".
"Ein kleiner Schritt für einen einzelnen...". Ist das dann auch ein kleiner Schritt für die Menschheit?
Die perfekte Lösung scheint mir das alles nicht zu sein. Trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, man sollte nicht 'gar nichts' tun. (Geht das überhaupt?)

Vielleicht sollten da noch andere Leute etwas mehr drüber nachdenken. Vielleicht haben die bessere Ideen als ich. Ich glaube, das braucht der Planet bei Problemen, die den Einzelnen bei weitem übersteigen. Nur haben die meisten Leute weder Zeit noch Nerven, über so etwas nachzudenken. Kann man ja auch verstehen, bei den ganzen Anforderungen, die das Leben sowieso schon an uns stellt. Alltag, Familie, Leistungszertifikate, der 10-Stunden-Tag am Arbeitsplatz, Erwartungen der Mitmenschen über gesellschaftskonformes Verhalten...

Aber wenn wir es schaffen, die Freiheit auszuhalten, die wir eigentlich doch haben, haben wir zumindest die Chance über so etwas nachzudenken. Vielleicht können wir sogar noch mehr Freiheit schaffen. Auch für andere. Wodurch? Hmmm,... da gibt's ein paar Sachen zur Auswahl: Existenzsicherung, Bildung, Respekt, Liebe (letzteres klingt wohl zu kitschig...). Also doch lieber ein Handfestes Konzept? Da muss ich wieder ans Grundeinkommen denken... Naja, da kann ich wann anders nochmal in Ruhe drüber nachdenken.'

Streifzug Ulli: Studienberatung Teil I: Optimierung der persönlichen Arbeitsprozesse

„Der Grund, weshalb ich Sie hergebeten habe, ist die Änderung der Rahmenstudienprüfungsordnung.“, erklärt der junge Mann auf der anderen Seite des Tisches gewichtig.

Ich schauen mich im kleinen Büro des 60er-Jahre-Baus um. Wieso haben die eigentlich so wenig Licht in ihren Büros? Vielleicht wäre Herr Engelsbach etwas entspannter, wenn ich das Rollo mal richtig öffnen würde? Vielleicht sollte er auch einfach mal diesen engen Hemdknopf an seinem Hals öffnen.
Während ich noch überlege, ihn darauf anzusprechen, fährt er fort:

„Der Akademische Senat hat dem aktuellen Berliner Hochschulgesetz entsprechend eine neue Rahmenstudienprüfungsordnung für alle Bachelor- und Masterstudiengänge erlassen. Langzeitstudenten können somit sofortig exmatrikuliert werden. Das wissen Sie doch, oder?“
„Ähm... ich bin bezüglich der Studien-Bachelor...äh...Bachelor-Ordnungsstudien nicht so ganz informiert.“

„Also hören Sie mal, haben Sie denn nichts von diesem ganzen Tumult überall mitbekommen?“
Ich denke zurück und erinnere mich dunkel daran, wie ich nicht in meine Vorlesung gehen konnte, weil das Gebäude von Polizisten abgesperrt war und davor zahlreiche Studenten mit Musik und Megafon auf und ab liefen. Als ich einen freundlichen Kommilitonen mit langen verfilzten Haaren, roter Fahne und einem Stapel Flyer in der Hand fragte, was hier passiere, erklärte er mir: „Neue RPSO, das kommt alles von den Lohnarbeits-Abhängigkeitsverhältnissen und vom Kapital.“ Ich war mir nicht ganz sicher, wie er das genau meinte, aber als ich nochmal nachfragte, wurde er ungeduldig und drückte mir nur seinen Flyer in die Hand, auf dem stand: „Wir brauchen eine kommunistische Revolution, alles andere ist in letzter Instanz Bullshit.“ Verstanden habe ich das nicht so ganz, aber es kam mir ein bisschen merkwürdig vor.

Mit zutiefst besorgtem Blick spricht nun Herr Engelsbach weiter:
„Sie haben die Regelstudienzeit von sechs Semestern bei weitem überschritten. Ich muss Sie nicht darauf hinweisen, dass dies ein schwerwiegendes Problem darstellt. Meine Aufgabe ist es nun, über Ihre Situation zu entscheiden. Bitte fassen Sie deshalb in wenigen Worten zusammen, was Sie sich von Ihrem Studium versprechen.“

„Hmm...Ich will einen möglichst breiten Überblick über verschiedene Weisen, die Welt zu begreifen und zu beurteilen, gewinnen. Außerdem möchte ich mich tiefer mit Fragestellungen des menschlichen Seins auseinandersetzen um herauszufinden, welchen weiteren Weg ich selbst gehen möchte.“
Herr Engelsbach seufzt. „Jaja, das alte Humboldtsche Bildungsideal, angereichert mit einem Schuss Esoterik. Selbstentfaltung durch Bildung, Hervorbringung autonomer und kritischer Individuen und so fort... Heute sind wir an dieser Stelle aber ein Stück weiter oder sagen wir, zumindest ein Stück schneller. Zeiten ändern sich.“ Er lächelt auf einmal erfreut.

„Sie müssen mit Ihren Bildungskompetenzen auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig bleiben und Ihre Ambitionen frühzeitig in feste strukturelle Konzepte fassen. Bildung ist eine wichtige Ressource des kulturellen Kapitals und gehört unmittelbar in die richtigen Bahnen gelenkt. Darum möchte ich Ihnen helfen, einige allgemeinverbindliche wesentliche Basiskompetenzen zu entwickeln, damit auch Sie eine Chance auf dem internationalen Berufsmarkt erhalten können.

Sind Sie damit einverstanden?“
„Werde ich sonst exmatrikuliert?“
„Mit sofortiger Wirkung.“
„Na dann...also schon.“
„Sehr schön, dass Sie sich kooperationsbereit zeigen.

Zur Sache: In unser Internetplattform Campus Management haben Sie fast keinen einzigen relevanten Leistungsnachweis erbracht. Sie haben z.B. keinerlei Kurs aus dem Teilmodul 'Fachsprachliche Kompetenz' belegt. Wie ist das als Bachelorstudent der C-Studien- und Prüfungsordnung des 90 Leistungspunktemoduls möglich?“

„Also, Fachsprache war bisher nicht so sehr mein Schwerpunkt, es ging mir eher um Inhalte...“
„Wie die Kommunikationswissenschaften lehren sind fachsprachliche Kompetenzen die Basis jeglicher wissenschaftlicher individual- und sozialkommunikativer Handlungen.“
Herr Engelsbach sitzt nun Kerzengerade auf seinem Stuhl und strafft sein Jackett.

„Ähm..sicherlich.“
„Genau! Was haben Sie denn eigentlich dort in der Hand? Papierscheine? Das sind ja Praktiken aus dem letzten Jahrhundert. Es kann schon sein, dass dies in Ihrem Fachbereich möglich ist, aber Sie wissen schon, dass es essentiell für den Erwerb von Modulprüfungsleistungsnachweisen ist, sich online im Campus Management anzumelden?“
„Das funktioniert bei vielen Kursen halt nicht.“
„Sehr richtig. Das ist unser Regulativ um ein zielorientierteres Studium zu ermöglichen und die Zahl der überflüssig belegten Lehrveranstaltungen zu minimieren. Dennoch, jetzt zeigen Sie diese Papierscheine bitte mal her.“

Während er durch den großen Papierhaufen blättert, ließt er stirnrunzelnd einige ausgewählte Seminartitel vor: „'Kosmologien', 'Kapitalismus als kulturelle Praxis', 'Erfahrung als Selbst'.“
Ich beobachte, wie sich die Falten auf seiner Stirn immer enger zusammenziehen, als er fortfährt:
'Transzendentalphilosophie', 'Sein und Zeit', 'Was ist Wahrheit? Was können wir wissen?', (Herr Engelsbach hustet plötzlich kräftig.) 'Die diskursive Konstruktion der Wirklichkeit', 'Die Welt als Wille und Vorstellung', 'Idealismus und Außenwelt-Skeptizismus'...“

„Also, wissen Sie, das ist ja alles schön und gut und ich kenne mich auch in Ihrem Arbeitsbereich nicht aus, aber vielleicht sollten Sie an Ihrer Zielorientiertheit und Ihrem Zeitmanagement arbeiten. Die Welt ist eben doch nicht nur Wille und Vorstellung, das wissen wir dann schon. Außerdem sollte man sein Sein auch in der Zeit organisieren können, sonst holt einen die Wirklichkeit schnell ein.“

Die Frau am Schreibtisch auf der anderen Seite des Raumes schlürft geräuschvoll ihrer dritte Teetasse. Sie sieht irgendwie entspannter aus als mein Sachbearbeiter, wenn auch ein bisschen in sich zusammengesunken. Vielleicht könnte ich sie mal fragen, ob sie Herrn Engelsbach nicht auch eine Tasse Tee anbieten möchte, das wäre sicher auch gut gegen seinen Husten und würde die Falten auf seiner Stirn entspannen. Sie ist aber gerade intensiv damit beschäftigt, bei Facebook unter sämtliche Robbie Williams-Alben auf den Like-Daumen zu klicken.

Während ich noch versuche, die Aufmerksamkeit seiner Mitarbeiterin zu gewinnen, vertieft er sich kopfschüttelnd in mein studentisches Profil in seinem Computer. Seine Stimme wird ernst, als er fortfährt: „Gut. Ich werde mir jetzt trotz des beschäftigten Betriebs hier ausgiebig Zeit für Sie nehmen, weil ich das Gefühl habe, in Ihnen ein fehlgeleitetes Potential vorzufinden. Sie sind schon 23. Sie müssen Ihr Abitur sehr spät gemacht haben und mit dem Studium scheinen Sie auch erst mit großer Verzögerung begonnen zu haben. Und darüber hinaus liegt bei Ihnen noch ein Fachwechsel vor. Das kann zu unschönen Lücken in Ihrem Lebenslauf führen.“

Die Frau gießt sich die vierte Teetasse ein.

„Strukturieren wir also unser Vorgehen. Ihr Problem scheint schließlich nicht zu sein, dass Sie zu wenige Kurse belegen“, erklärt er mit einem skeptischen Seitenblick zum aufgetürmten Stapel der Papierscheine, „sondern die Priorisierung in der Auswahl. Es fehlen Ihnen sämtliche Kurse aus dem 30-LP-Modul ABV. Vielleicht sollten wir dort ansetzen.“

Auf meinen fragenden Blick hin kommt er erneut ins Kopfschütteln.
„Sie wissen nicht einmal, was das ist, oder? Haben Sie die neue Prüfungsordnung denn gar nicht gelesen? Das ist Ihre 'Allgemeine Berufsvorbereitung'. Wir müssen Sie nun zügig auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Ich kann Ihnen dabei einige sicherlich hilfreiche Empfehlungen nahelegen, wenn Sie mit mir zusammen einen Blick in das Vorlesungsverzeichnis werfen möchten.“
Seine Mine hellt sich plötzlich auf und er streicht sich seinen Anzug glatt. Ich freue mich mit ihm, weil sich die Falten auf seiner Stirn wieder etwas glätten.

„Schauen Sie mal, dies scheint mir besonders geeignet für Ihren konkreten Fall: 'Optimierung der persönlichen Arbeitsprozesse'. Zur Beschreibung: 'Qualifikationsziel des Seminars ist es, Ihnen die für Ihr effizientes berufliches Handeln erforderlichen Lern- und Arbeitstechniken, insbesondere der gängigen quantitativen Methoden des Selbst- und Zeitmanagements, sowie Techniken der Ziel- und Prioritätensetzung zu vermitteln.'“

Herr Engelsbach wirft mir einen erfreuten Blick zu. „Zusätzlich empfehle ich Ihnen noch eines der folgenden Seminare: 'Jobtalk', 'Assessmentcenter', 'Selbstmarketing im Beruf' oder 'Business Knigge'. Was halten Sie davon?“
„Naja, ich hatte mal Knigge in meinem Tanzkurs, aber da kam ich zu spät und habe mich dann nicht mit der richtigen Formel entschuldigt, was dann zu einem Problem wurde...“
„Es geht hier um Ihr Berufsleben! Konzentrieren Sie sich bitte.“ Herr Engelsbach sieht nun sichtlich erzürnt aus und alle Falten kehren auf einen Schlag zurück.

„Ich denke, in Ihrem Fall sollen wir ein bisschen grundlegender ausholen. Dies hier ist ein außeruniversitäres Zusatzangebot, das ich Ihnen dringlich ans Herz legen möchte.“
Er reicht mir einen orangen Prospekt über den Tisch: Der lächelnde Mann mit der Krawatte und dem Aktenordner, der darauf abgebildet ist, lehnt lässig an einer Wand. Über Ihm thront der Titel der Broschüre, darunter befindet sich eine nähere Beschreibung:

SCHNELLER LESEN
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„Eine großartige Sache. Wie man einen Roman in 57 Minuten lesen und den Inhalt behalten kann.“ (Günter Jauch) 




Ich schlucke. „Also, eigentlich geht es mir ja nicht nur um Geschwindigkeit...“
und zucke gleich darauf zusammen, als sich Seine Mine wieder verdüstert. „Aber ich werde Ihr freundliches Angebot sicherlich in Betracht ziehen. Und, wenn ich jetzt einen der besagten Kurse aus dem Modul Allgemeine Berufsvorbereitung belege, würden Sie mir dann vielleicht diesen Antrag auf Studienverlängerung unterschreiben?“

Herr Engelsbachs Hand zerknautscht nun energisch die ordentlich gebügelte Krawatte. „Ich würde Ihrem Sinn für Planungseffizienz selbstverständlich gerne Glauben schenken, aber das scheint mir problematisch. Ich möchte Ihnen eine nachdrückliche Empfehlung geben. Ich weiß, dass die psychologische Zwangsberatung bei Langzeitstudenten aufgrund von Studentenprotesten vorläufig nicht Teil der neuen Rahmenstudienprüfungsordnung geworden ist. Dennoch lege ich es Ihnen nahe, Peter Luckmeier zu konsultieren. Er ist der Leiter unserer psychologischen Beratungsabteilung und ein kompetenter Neuropsychologe und Verhaltenstherapeut. Er wird ihre Leistungsmotivationsbereitschaft mit einem Persönlichkeitstest der Prüfung unterziehen. Dadurch besitzt er die nötigen Mittel, Ihre persönliche Leistungsverfassung objektiver zu bewerten, als wir beide es sind. Wenn die Testergebnisse vorliegen, erwarte ich Sie erneut in der Sprechstunde. Ich werde Peter direkt kontaktieren.“

Als er schwungvoll den Telefonhörer hochhebt bedanke ich mich eilig und verlasse zügigen Schrittes den Raum. Draußen atme ich einmal tief durch.

Streifzug Ulli: Die Motz

Es ist stickig in der Bahn. Ich habe doch noch einen Sitzplatz zwischen einer beleibten wasserstoffblonden Frau um die 40 samt ihrer zahlreichen Einkaufstüten und einer älteren Dame gefunden. Das Berliner Fenster, der Bildschirm im Abteil, verkündet die neusten Bildzeitungsnews und flackert dabei alle paar Sekunden hellblau auf. Trotzdem schaffe ich es, sie zu lesen: "Mila Kunis ist die heißeste Frau der Welt", "Die ersten Siedler in Amerika waren Menschenfresser" und "Gwyneth Paltrow empfiehlt: Blow-Job statt Ehe-Zoff". Trotzdem hat sich anscheinend "Mario Balotelli von seiner Modell-Freundin getrennt".



Die beiden gegenüberliegenden Sitzreihen sind voll mit Menschen, so als hätten sie sich zusammengesetzt um ein gemeinsames Gespräch zu führen. Haben sie aber nicht. Sie nehmen die Nähe nur in Kauf, um bald möglichst wieder an ihrem Ziel aussteigen zu können. Die meisten von ihnen sind intensiv mit ihrem E-Book-Reader oder ihrem Smartphone beschäftigt. Einige haben Kopfhörer im Ohr. So richtig scheint niemand die ihn umgebenden Menschen wahrzunehmen, nur ein junger Mann liest verstohlen das Buch seiner Sitznachbarin mit, dabei hat diese extra einen undurchsichtigen Umschlag um den Einband gelegt, der es verbietet, den Titel zu erkennen. In der Ecke sitzt ein Mädchen mit leuchtend gefärbten Haaren, zerrissener Strumpfhose und Lederjacke. Der Boxer an ihrer Hundeleine schnüffelt dem Mann im Anzug mit Krawatte neben ihr unablässig an der Hose, was sie nicht weiter zu stören scheint. Den Mann allerdings schon, aber nachdem er daran gescheitert ist, einen Ort für sein Bein ausfindig zu machen, den der Hund nicht erreichen kann, ergibt er sich in sein Schicksal.





Quietschend fährt die U-Bahn in die Bülowstraße ein. Viele Leute steigen aus und einige ein. Unter ihnen ein älterer Mann. Er bewegt sich langsam und steif und umklammert in der einen Hand einen zerknitterten Kaffeebecher und in der anderen einen Stapel von Zeitungen. Wie immer, wenn ein Obdachloser die U-Bahn betritt, werde ich leicht nervös. Mit monotoner Stimme kämpft er gegen den Lärm der anfahrenden U-Bahn und trägt seinen vorbereiteten Spruch vor: "Mein Name ist Markus, ich lebe seit fünf Jahren auf der Straße und verkaufe die Motz. Die Motz ist das Berliner Straßen-Magazin und kostet 1,20 Euro. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir ein Exemplar abkaufen würden oder eine Spende für die Nachtunterkunft für mich hätten. Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Weiterfahrt."

Die Gesichter der Menschen verschließen sich. Wer kann, beugt sich noch tiefer über sein Smartphone. Meine füllige Sitznachbarin unter ihren Einkaufstüten entschließt sich, den Sprecher zu übertönen und beginnt eine angeregte Unterhaltung mit ihrer Freundin über die neuen Haarspangen von Bijou Brigitte. Alle anderen hüllen sich in Schweigen. 'Bemerken sie den Mann nicht oder wollen sie ihn nicht bemerken?', frage ich mich. Auch ich blicke zu Boden. Markus scheint keine Reaktion zu erwarten und beginnt sich langsam durch das Zugabteil zu schieben. Ich schaue hoch. Er ist ausgerechnet vor mir stehen geblieben und schaut mir direkt in die Augen. Der Moment zieht sich in die Länge. Ich halte den Atem an. Gedanken schießen mir durch den Kopf.

'Warum schaut er gerade mich so an? Kann ich etwas dafür, dass er hier steht? Daran bin ich doch nicht schuld. Ich könnte ihm ja etwas geben. Aber dann müsste ich erstmal mein Portemonnaie herauskramen und bis ich das finde... Und alle sitzen hier und schauen zu. Und ich muss auch gleich aussteigen. Außerdem stinkt er ja bestialisch. Kann er sich denn nicht waschen? Und was bringt es denn, wenn ich ihm Geld gebe? Am Ende kauft er sich davon nur Drogen, so ausgemergelt, wie er aussieht. Und manchmal gebe ich ja auch etwas, ich kann ja nicht jedem Geld geben, er ist nicht der erste, der mich heute anbettelt. Und diese Zeitung will ich wirklich nicht. Warum blickt er denn so teilnahmslos und zugleich so unterwürfig? Kann er mir nicht normal gegenübertreten? Ich bin doch auch nicht so anders als er, nur weil ich hier sitze.' Ich werde auf einmal wütend auf Markus. Dass er mich in diese Situation bringt, wo ich doch gleich zur Arbeit muss und mich wirklich mit anderen Dingen auseinandersetzen muss. Markus schaut mich immer noch an. Ich senke den Blick und schüttele leicht den Kopf. Als er langsam weiter schlurft, atme ich auf.

"Widerlich", sagt nun die Blonde neben mir und verdreht die Augen. Ihre Freundin kichert. "Ich meine, ich stehe auch jeden Morgen um sieben auf und gehe arbeiten. Von nichts kommt nichts. Außerdem leben wir in einem Sozialstaat, da sind alle versorgt. Jeder kann zum Amt gehen und Geld bekommen, niemand hat einen Grund hier alle zu belästigen." Sie hat beobachtet, wie ich den Mann abgewiesen habe und schaut jetzt nach Anerkennung heischend zu mir. Ich werde rot und vergrabe mein Gesicht. Die ältere Dame auf meiner anderen Seite, die das Haarspangen-Gespräch vorher eher irritiert wahrgenommen hat, lächelt der Blonden aber bekräftigend zu.

'Anscheinend kann Markus nicht zum Amt gehen, warum auch immer.', denke ich und dann, 'Erstaunlich, dass eigentlich überhaupt jemand anfängt über die Situation zu reden.'
Ich beobachte aus dem Augenwinkel, wie eine Frau Markus ein paar Cent in den Becher wirft und dabei den gebotenen Sicherheitsabstand einhält. Der Mann gegenüber zieht die Beine mit den polierten Schuhen an, die er zwar nicht vor dem Hund retten konnte, aber immerhin vor Markus' schlurfenden Füßen.
Plötzlich schaut er interessiert auf und streckt dabei seine viel zu langen Beine wieder nach vorne, sodass der Motz-Verkäufer ins Straucheln gerät. "Halt mal! Was steht da? Das Musiktheater in Mitte soll geschlossen werden? Aber da habe ich doch noch ein Wörtchen mitzureden. Warten Sie mal.", er greift Markus am Arm, der ihn, erschrocken über die plötzliche Aufmerksamkeit, anstarrt.

"Ja, was halten denn Sie davon, meinen Sie nicht, wir sollten da etwas tun?" Markus, der immernoch nicht ganz fassen kann, dass es da um ihn geht, sagt schließlich: "Das tue ich doch."
"Stimmt richtig... Höchste Zeit, dass die Leute mal etwas tun. Also, würden Sie mir so eine Zeitung verkaufen? Das heißt, wo ist denn mein Portemonaie..."
Markus richtet sich auf einmal auf. "Ich schenk Ihnen eine. Aber jetzt habe ich wirklich zu tun." Mit diesen Worten verlässt er am Nollendorfplatz geschäftig die Bahn, fast ohne zu schlurfen.

Streifzug Kim: Klamottenkauf

"Concious Collection". Das strahlende Lächeln der schönen und sehr dünnen Frau im Flatterkleid blickt auf mich herab und erhellt den Laden.
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Die Suche nach einer neuen Hose hat sich schon jetzt zur kleinen Exkursion ausgeweitet. Herausfordernd ist nicht nur das Durchforsten des Dickichts aus Kleidermassen, von gestreiften Strumpfhosen über Schwangerschaftspullover bis zur Spitzenunterwäsche.

Nein, als ich dann endlich vor der Hosenabteilung stehe, werde ich mit der nächsten Schwerigkeit konfrontiert: eine Auswahl an englischsprachigen Begriffen von denen für mich im Zusammenang mit Hosen keiner einen Sinn ergibt: Steingewaschen, super mager oder Freundesstil. Zum Glück klärt mich eine geduldige Frau, die gelangweilt vor einem Haufen mit zerknüllten Jeans steht die sie mechanisch zusammen faltet, über die Bedeutung von stonewashed Jeans und Hosenschnitten wie dem boyfriend- und super-skinny style auf. Während ich mich noch über die Fremdsprachenfreundlichkeit des Ladens wunderte, entdecke ich das Plakat.

Concious Collection. Nachhaltigere Kleidung steht darunter. Was hat das schon wieder zu bedeuten, frage ich mich. Die geduldige Frau mit dem gelangweilten Gesicht vor dem Hosenberg sieht aus, als könnte sie sich über etwas Ablenkung freuen. Kein Wunder, angesichts ihrer Sisyphosarbeit, denn ständig schlendern Leute vorbei und nehmen die Hosen, die sie sorgsam zusammen gefaltet hat, wieder auseinander, um sie gleich darauf zerküllt zurück zu werfen. Ich beobachte den eigenartigen Kreislauf eine Weile, dann spreche ich die Frau an und frage nach der Bedeutung des Werbeplakats.

Diesmal schaut die Frau mich etwas erschrocken an. "Was Concious Collection heißt? Öhm, dafür bin ich eigentlich nicht zuständig. Ich leite hier nur die Jeansabteilung.”

"Aber wissen Sie denn gar nicht, was das Plakat zu bedeuten hat?” Seltsam, finde ich, wo sie doch sogar in dem Laden arbeitet. Wenn sie die Aufschrift schon nicht versteht, für wen hängt sie dann da?
Die Frau schüttelt den Kopf, verspricht aber, ihre Kollegin zu fragen. Sie wirkt tatsächlich erleichtert, ihre Sisyphosarbeit kurz unterbrechen zu können. Gleich darauf steht eine Frau in schwarzem Anzug vor mir, die genauso strahlend lächelt wie die Dame auf dem Plakat.

"Sie interessieren sich für die Hintergründe der Concious Collection und unsere Sustainability Politik?”
"Wie bitte?”, frage ich irritiert.
"Unsere Nachhaltigkeitspolitik”, erklärt die Frau mit begeisterter Stimme. "Soziale und ökologische Nachhaltigkeit spielt für unser Unternehmen jetzt eine ganz wichtige Rolle. Ich leite das Sustainability Team in unserer Filiale.” Mit breitem Lächeln entblößt sie ihre glänzend weißen Zähne. "Wir haben eine Vision, wissen Sie. People, planet and profit. Wir glauben, dass der Schlüssel zum langfristigen Erfolg darin liegt, sich der engen Verknüpfung dieser drei Elemente bewusst zu sein.”

Ihre Worte erinnern mich an Dinge, die mein Freund Savinda manchmal sagt, wenn er vom Universum und spiritueller Erleichtung spricht. Ich schaute mich etwas zweifelnd in dem Laden um. Irgendwie passen ihre Worte besser in Savindas Meditationszentrum als in den riesigen, klimatisierten Raum mit den vielen überfüllten Tischen und Regalen voller Kleidung, durch den wummernde Technomusik schallt.
"Ich weiß”, sagt die Frau, die meinen Blick wohl aufgefangen hat, "das klingt für viele zunächst etwas überraschend, unser Haus hatte da ja auf Grund gewisser Kinderarbeitsskandale...”
"Kinderarbeit?”

"Tja, Sie wissen ja, in vielen Ländern gibt es andere Standards, was die Arbeitsbedingungen angeht. Bangladesch, Indonesien... da ist es leider durchaus üblich, dass Kinder in Fabriken arbeiten, statt in die Schule zu gehen.” Bedauernd zieht die Frau ihre Augenbrauen hoch, die mit einem dünnen Strich untermalt sind.
"Ach”, sage ich überrascht. "Kommen die Leute, die bei Ihnen arbeiten, denn alle aus dem Ausland?” Von den VerkäuferInnen im Laden die ich bisher gesehen habe wirkten die meisten eher wenig fremdländisch.
"Na ja, die Kleidung wird ja im Ausland hergestellt. Unsere Liferanten kommen natürlich aus dem Ausland.”
"Wirklich? Und dann werden die ganzen Klamotten extra von Bangladesch oder Indonesien nach Berlin gefahren? Warum das denn?”

"Nun ja, die Arbeitsbedingungen im Ausland unterscheiden sich eben doch von denen hier bei uns, in ihrer... ja... Effizienz für unser Unternehmen.” Die Frau räuspert sich und streicht ihre Bluse glatt. "Wir müssen natürlich auch wirtschaftlich denken und wettbewerbsfähig bleiben. Wir können nicht plötzlich allen das doppelte an Löhnen zahlen, verstehen Sie? Und das wäre die Konsequenz, wenn wir nur noch NäherInnen aus Berlin anstellen.” Sie wirft mir einen beinahe vorwufsvollen Blick zu, so als wäre ich an dieser Misere Schuld. "Dann scheiden wir eben vom Markt aus, und andere Kleidungsmarken führen ihre Ausbeutungspolitik weiter. Das ist sicher auch keine nachhaltige Lösung.”
"Ausbeutungspolitik?”, frage ich erschrocken.
"Sie wissen schon... das geht ja ständig durch die Medien. Billiglöhne die nicht für die Existenz der Arbeiter ausreichen, Arbeitsschichten von sechzehn Stunden am Stück, Gewalt am Arbeitsplatz, Berührungen mit giftigen Chemikalien...”

Ich schaue die Frau entsetzt an. "Das alles passiert mit den Leuten, die die Hosen hier nähen?”
Ungläbig werfe ich einen Blick an der strahlenden Frau vorbei durch den Laden. Er ist gefüllt von Leuten, die sich Kleidung über die Arme geworfen haben und fröhlich von einem Regal zum nächsten schlendern. Die Technomusik verbreitet eine locker-leichte Atmosphäre, die zu der hochmodernen Einrichtung mit riesigen Spiegeln und glänzenden Regalen passt. Ob die Leute alle wissen, dass die Klamotten, die sie herumtragen, von Menschen gemacht sind die dafür ausgebeutet wurden?
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"Sehen Sie denn keine Nachrichten?”, fragt die Frau verwundert. "Das ist doch gerade sehr aktuell. Die Brände in Textilfirmen, die gerade durch die Medien gingen...”
"Brände?” Ich erinnere mich vage an ein paar Bilder von dunklen, ausgebrannten Räumen, die ich neulich in den Nachrichten gesehen habe. Ich hatte ja keine Ahnung dass die aus den Fabriken kamen, in denen die Kleidung hier hergestellt wird. "Wie furchtbar. Gab es da nicht auch Tote und Verletzte?”
,Leider ja.” Die Frau nickt bedauernd und beißt sich auf die Unterlippe. "Über hundert Arbeiterinnen und Arbeiter sind gestorben.”

"Wie schrecklich! Warum denn?”
"In den Fabriken gab es keine Notausgänge.” Mittlerweile hat das strahlende Lächeln der Frau nachgelassen. Stattdessen sieht sie mich mit ernster Mine an. "Das liegt an den Lieferanten im Ausland, auf Sicherheits- und Gesundheitsvorkehrungen wird da leider kein großer Wert gelegt.”
"Aber wenn Sie das wissen, wieso arbeiten Sie dann mit diesen Leuten zusammen? Gibt es denn keine Lieferanten, die anständig mit ihren ArbeiterInnen umgehen?”

Die Frau stößt einen Seufzer aus. "So einfach ist das nicht. Man kann ja nicht immer kontrollieren, was die Lieferanten machen. Sie haben keine Ahnung, wie komplex das alles ist, in Asien und Afrika und Osteuropa... Es gibt auch die Lieferanten von Lieferanten und Sublieferanten... Sie glauben gar nicht, wie viel Zeit und Geld es kostet, alle zu überprüfen. Und leider”, sie hält kurz inne, sieht sich für einen Moment um und senkt die Stimme: "Leider steht unser Unternehmen auch nicht an allererster Stelle für nachhaltige Kleidung. Wir zeichnen uns für Mode zum besten Preis aus. Das ist auch unseren KundInnen wichtiger, als dass es den ArbeiterInnen irgendwo im fernen Osten gut geht.” Sie zuckt die Schultern.

"Achso. Dann werden die Leute so schlecht bezahlt, weil die Klamotten, die sie nähen, so billig sind?”
"Das hängt nicht immer unbedingt zusammen. Es gibt auch teure Luxusmode, die unter schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt wurde”, klärt die Frau mich auf. "Von dem Preis für ein T-Shirt geht sowieso höchstens 20 Prozent an die Löhne für NäherInnen. Aber natürlich gibt es auch Marken, die sich extra durch ihre Nachaltigkeit auszeichnen. Da müssen Sie dann aber auch einiges mehr für bezahlen. Dass man für 5 Euro wahrscheinlich kein T-Shirt bekommt, das besonders fair hergestellt wurde, das dürfte wohl jedem klar sein.” Sie macht eine kurze Pause und ich starre auf die dunkelblaue Hose in meiner Hand. Von wem die wohl genäht wurde? Etwa auch von jemandem, der studenlang in einer dunklen Fabrik ohne Notausgänge arbeiten musste? Wie furchtbar.

"Aber, Dinge verbessern sich”, sagte die Frau, die meinen unwohlen Blick wohl bemerkt hat. Sie setzt ein nachsichtiges Lächeln auf. "Es ist ein langer und schwieriger Prozess zu mehr Nachhaltigkeit. Aber wir übernehmen jetzt Verantwortung. Bei uns gibt es jetzt einen Code of Conduct, wir kommunizieren mit externen Stakeholdern und überprüfen alle concious actions.” Ihre Stimmlage schnellt wieder nach oben. Stolz richtet sie sich auf.

Da ich nicht ganz verstehe, was ihre Worte konkret bedeuten, halte ich noch mal auf die Hose in meiner Hand hoch. "Heißt das, dass diese Jeans jetzt nicht mehr von ausgebeuteten Menschen gemacht wurde?”
"Na ja, es wäre natürlich falsch zu behaupten, dass wir garantieren können dass es zu keinen Verletzungen unseres Verhaltenskodex kommt”, meint die Frau vage. "Ich habe Ihnen ja erklärt, wie schwierig und wie zeitaufwendig und kostenspielig die ganze Überprüfungsangelegenheit ist. Aber wie all unsere Aktivitäten ist auch unser Nachhaltigkeitsengagement vom Streben nach ständiger Verbesserung geprägt. Lesen Sie sich doch unseren Bericht mit den Concious Actions 2012 durch, da finden Sie alle Highlights rund um das Thema Nachhaltigkeit.” Jetzt strahlt sie wieder wie die Frau auf dem Plakat über uns.

Ich bedanke mich für die freundliche Auskunft und lege unauffällig die Hose in meiner Hand zurück auf den großen Haufen. Beim Hinausgehen sehe ich einen Tisch in der Ecke, auf dem groß "Nachhaltigkeit zu fairem Preis” steht. Scheinbar ist das die faire Kleidung, die dafür ein bisschen teurer ist. Der Tisch ist menschenleer. Ein Stück weiter stauen sich die Leute vor einem Regal mit der Aufschrift "Super-Sale.”
Hastig verlasse ich den Laden.

Streifzug Kim: Über Entscheidungen



Woher wissen wir eigentlich, dass die Entscheidungen, die wir treffen, die richtigen sind?
Vor kurzem war ich auf einer Vernissage von meinem Freund Dave, der eigentlich David heißt aber das klingt nicht so cool, findet er. Dave hat ein kleines Atellier im Prenzlauer Berg, wo er seine Fotos ausstellt. Dorthin läd er ab und zu schicke Leute ein, die sich seine Bilder anschauen, dabei Sekt trinken und ein bisschen über Kunst und Literatur reden. Dave verbringt fast den ganzen Tag damit, durch die angesagten Viertel von Berlin zu laufen und abgefahrene Sachen wie Graffiti an Mauerwänden oder heruntergekommene Häuserfassaden zu fotografieren. Ansonsten feiert er morgens in Clubs, geht nachmittags frühstücken oder unterhält sich mit Leuten über Kunst.


Dave wirkt sehr glücklich. Auf der Vernissage beobachte ich ihn heimlich, wie er lässig an der Wand lehnt, ein Glas Sekt in der Hand, an dem er nippt und gedankenverloren seine eigenen Bilder anschaut. Dave hat sich dazu entschieden, den Großteil seines Alltags der Kunst zu widmen und das scheint ihn voll und ganz zu erfüllen.
Womit verbringe ich den Großteil meines Alltags? Ich sitze in der Universität in Vorlesungen und lerne etwas über die Welt. Erfüllt mich das? Ich starre eines von Daves Bildern an, eine Explosion aus bunten Farben. Ich weiß es nicht. Ich mag die Uni, ich fühle mich wohl in meinen Vorlesungen und es macht Spaß, Dinge über die Welt zu lernen. Aber woher will ich wissen, dass es nicht Dinge gibt, die mir noch viel mehr Spaß machen würden? Fotografieren zum Beispiel. Oder Bergsteigen oder Mandoline spielen. Vielleicht wäre mein Leben viel erfüllter, wenn ich mich mit etwas anderem beschäftigen würde als ich es momentan tue. Aber wie kann ich jemals herausfinden, für welche Beschäftigung ich mich am besten entscheiden sollte, wenn ich nicht jede einzige Tätigkeit ausprobiert habe mit der man sich auf der Welt beschäftigen kann?


Berlinbild

Wieder starre ich Daves Fotografie an, die wohl das sehr wilde und freie Werk eines Graffitikünsters dastellt. Dieser Künstler war im Moment seiner Kunstausübung sicher sehr erfüllt. Was genau sein Werk dastellen soll und wieso er es auf dem Stück Mauer hinterlassen hat, das dann von Dave fotografiert wurde, ist mir allerdings schleierhaft. Wofür, frage ich mich. Ist es wichtig, ein Wofür zu haben? Oder reicht es, das zu fnden, was einen am meisten erfüllt? Erfüllen, was bedeutet das in diesem Zusammenhang überhaupt? Dave benutzt das Wort immer, wenn er über die Kunst redet weil er sagt, dass Kunst das einzige sei was ihn erfüllt. Erfüllt mit was? Mit Glück, mit Freude? Gehe ich jeden Tag in die Uni, weil die Vorlesungen mich mit irgendetwas erfüllen? Ich frage Dave nach Rat, der jetzt die Leute begutachtet, die herumstehen und seine Werke anstarren. In seiner engen roten Hose, den langgezogenen Socken und seiner dicken Hornbrille passt er wunderbar in das Bild aus bunten Leuten, die sich leise über Kunst unterhalten. Ich klage Dave mein Leid. "Was ist, wenn ich mein Leben damit verbringe, in die Universität zu gehen, mich zu bilden und dann irgendwann, wenn ich alt bin, feststelle, dass es mich viel glücklicher gemacht hätte, etwas Künstlerisches zu machen so wie du?"
Dave zieht seine sauber zurechtgezupften Augenbrauen hoch und betrachtet mich kritisch. "I don't know", meint er, "ob das so dein thing wäre mit der Kunst." Dave verwendet manchmal gerne Anglizismen, obwohl er Deutscher ist, ich weiß auch nicht genau warum.
"Aber woher weiß man, was sein "thing" ist? Ich habe es doch noch nie ausprobiert. Ich habe auch noch nie... Seil getanzt oder Klavier gespielt. Wieso habe ich mich gerade dazu entschieden, jeden Tag in die Uni zu gehen?"
"Das verstehe ich auch nicht", sagt Dave. "An deiner Stelle fände es da ja auch super boring. Dieser ganze Haufen von intellektuellen Typen, die über die Welt philosophieren... that's no life. Das kann einen doch nicht erfüllen."
"Und woher weißt du, dass deine Kunst dich richtig erfüllt? Dass sie das Beste ist, für das du dich entscheiden konntest?"
"Das ist so ein feeling. So was spürt man einfach, wenn man Künstler ist." Dave sieht fast liebevoll auf das Foto vor ihm, noch eine Mauer mit Graffiti. "Du spürst doch, wenn dich was voll und ganz erfüllt. Und dann... just do it! Einfach in den Tag leben, das feeling feelen. Das ist life."
"Aber denkst du denn nie daran, dass es vielleicht etwas gäbe, dass noch... besser ist? Das dich noch mehr erfüllen würde?"
Dave denkt eine Weile darüber nach. Er kippt sein Sektglas herunter. "Nee", sagt er schließlich. "Ich bin Künstler und das ist mein Leben. Das spüre ich. Das ist dieses feeling, verstehst du?"


Ich bin mir nicht sicher, ob Dave mir mit meinem Problem so gut weiterhelfen kann und da es mich immernoch beschäftigt, während ich weiter brav meinem Alltag nachgehe, in Vorlesungen sitze, zu Hause Bücher lese und mir dabei vorstelle, dass es gerade wohl ungefähr ein paar hundert oder tausend anderer Sachen gäbe, die ich ebenfalls tun könnte, beschließe ich, meinen Freund Savinda um Rat zu fragen.

Savinda arbeitet in einem Yogastudio in Schöneberg und er freut sich jedes Mal, wenn man ihm Fragen stellt, die irgendwie mit dem Sinn des Lebens oder so etwas zu tun haben.
Savinda schreitet wie immer barfuß und in seinen orangenen Flatterhosen über dem blankgegeputzten Laminatboden des Studios auf mich zu. Wir setzen uns auf zwei Kissen am Boden, er legt die Beine übereinander und hört mir eine Weile aufmerksam zu während ich ihm erzähle, was mir auf dem Herzen liegt.
"Ich weiß nicht mal, wie ich meine Entscheidungen treffe", sage ich. "Irgendwie scheint sich alles immer irgendwie zu ergeben. Warum habe ich mich dazu entschieden, zu studieren und nicht... irgendetwas anderes zu tun? Und wie kann ich wissen, was das Beste für mich ist?"
Savinda schaut mir tief in die Augen. "Kim", sagt er mit sehr ruhiger Stimme. "Es gibt doch immer unendlich viele Möglichkeiten, was du tun könntest."
"Und wie kann ich wissen, was das Beste ist?"
"Das Beste", sagt Savinda kopfschüttelnd. "Das Beste und das Gute gibt es doch gar nicht. Das gehört alles zusammen. Alles ist eins, das weißt du doch. Ob du Kunst machst oder ob dein Freund Dave Kunst macht, das ist das gleiche." Er kreist mit dem Armen, wie um mir das Ausmaß seiner Worte begreiflich zu machen. "Ob du zur Uni gehst oder in einem Supermarkt arbeitest... im Großen und Ganzen betrachtet, ist das alles eins, Kim. Es ist nicht wichtig, was du machst, sondern wie du es machst. Du musst alles, was du machst, mit vollem Bewusstsein machen, verstehst du? Mit Hingabe." Er schaut mich so durchdringend an, dass mir die Augen davon tränen.
Ich denke eine Weile nach. "Aber meine Freundin Ginny sagt, dass alles, was die Leute machen, ständig irgendetwas verändert", wende ich ein. "Sie sagt, wenn die Leute aufhören würden, abends fern zu sehen und statt dessen gegen Krieg demonstrieren und so etwas, dann würde sich die ganze Gesellschaft verändern."
"Die Gesellschaft", meint Savina etwas verächtlich, "mag sein, mag sein. Aber man muss den ganzen Kosmos betrachten, nicht nur die Gesellschaft. Wir alle sind ein kleiner Teil des Kosmos. Du bist das Universum, Kim. Und dem Uniersum ist es egal, ob du fern siehst oder demonstrieren gehst."
"Dann ist es ganz egal, was wir uns entscheiden zu tun?"
"Du musst dich immer für die Liebe entscheiden", mein Savinda. "Liebe und Hingabe. Das ist es, was zählt."
"Und was ist mit dem Glück? Ist das nicht auch wichtig?"
"Liebe und Hingabe machen doch glücklich."
"Aber es gibt doch Dinge, die mich glücklicher machen als andere. Wenn ich jeden Tag in einem Supermarkt sitze, dann macht mich das bestimmt weniger glücklich, als jeden Tag im Wald spazieren zu gehen."
"Ja selbstverständlich. Im Wald bist du dem Kosmos ja auch ganz nah. Im Wald bist du voller Energie, voller Bewusstsein, voller Hingabe." Savinda wirft beim Sprechen die Hände in die Luft, um kleine Energiebälle darzustellen.
"Und im Supermarkt kann ich das nicht sein?"
Savinda verdreht etwas die Augen. Normalerweise mag er Fragen, aber wenn man zu oft fragt, geht ihm das auf die Nerven.
"Kim, du solltest anfangen, Yoga zu machen. Deinen Geist frei machen von allem. So findest du wahre Erfüllung."
Er legt die Hände aufeinander und beugt lächelnd den Rücken. Damit erklärt er das Gespräch für beendet. Mit flatternder Hose schreitet er davon.


Sehr viel mehr weiß ich nach den Unterhaltungen mit Dave und mit Savinda auch nicht. Ich denke darüber nach, Ginny noch nach Rat zu fragen aber ich habe den vagen Verdacht, dass mich auch das nicht wirklich weiter bringen wird. Es ist ja nicht schlecht, in die Uni zu gehen, danke ich. Und Savinda hat auf jeden Fall recht damit, dass man wohl schlecht alles ausprobieren kann, was es auf der Welt zu tun gibt. Vielleicht sollte ich wirklich mal Yoga machen oder zumindestens darauf achten, mit viel Hingabe in der Vorlesung zu sitzen und den Professoren mit ganzem Herzen zuzuhören. Und vielleicht mal probieren, ob mich Mandolinespielen nicht zufälligerweise noch mehr erfüllt als das.

Streifzug Ulli: Leistung aus Leidenschaft


„Das Leben ist voller Spannung und Abwechslung – aber es birgt auch so manche Risiken. Wir helfen Ihnen dabei, diese Risiken abzufedern.“
http://www.moebelimperium.de/images/product_images/thumbnail_images/8356_0.jpg'Na das ist aber großzügig', denke ich und versuche es mir auf dem modern geschnittenen blauen Bürostuhl ein wenig bequemer zu machen.
 
„Sie wissen ja, in Zeiten der Unsicherheiten und des Wandels ist es von grundlegender Bedeutung, auf Stabilität zu setzen. Heutzutage zählen Kompetenzen und unternehmerische Verantwortung. Sie sagten, Sie haben keine Kinder? Richtig, das verstehe ich. Im heutigen Zeitalter der Krisen ist es ein großes Wagnis, ein Kind zu bekommen. Die medizinisch-technischen Möglichkeiten haben sich enorm erweitert, aber vor dem Abrutsch in die Rezession ist scheinbar niemand sicher.

Während ich Frau Lehmann noch für ihre gewählte Ausdrucksweise und Weitsichtigkeit bewundere, schweift mein Blick über ihre Schulter auf das Plakat mit dem lächelnden Paar. Gleich nach den strahlend weißen Zähnen und der stilvollen Kleidung der beiden fällt mir auf, dass sich die hellblaue Bluse der Frau über einen Schwangerschaftsbauch spannt. „Unser Kind hat noch keinen Namen, aber eine Rentenversicherung.“, lese ich darunter und in der Ecke: „Leistung aus Leidenschaft“.



Auch meine persönliche Beraterin lächelt mich nun an und mir fällt auf, dass sie die gleiche Bluse trägt, wie die Mutter auf dem Bild.
„Kinder sind liebenswert, aber ein Risiko-Faktor. Sie bringen ein sinnvoll strukturiertes und zielorientiertes Leben ins Wanken. Wie können wir so weit voraus planen, dass es unseren Kindern auch noch in 50 Jahren gut geht? Ein Kind großziehen und nach seinem eigenen Bild zu formen, ist eine große Leistung. Das Produkt dieser Bemühungen muss geschützt werden. Was denken Sie darüber?“


„Ähm...ich? Produkte schützen, ja richtig, Verbraucherschutz. Und Leistung aus Leidenschaft. Und Kinder mag ich auch, man...sollte sie vor Produkten schützen.“
„Sie bringen es auf den Punkt. Leistung aus Leidenschaft. Den Menschen ist bewusst, dass der Euro ins wanken geraten ist. Sie flüchten sich in den Kauf von Gold oder anderen Wertanlagen. Der Trend geht zu seltenen Erden und Mineralien aus dem Himalaya. Was halten Sie davon?“
„Hmm...ich war mal im Himalaya wandern.“, bemerke ich hilflos.
„Sehen Sie, das ist ganz meine Meinung. Erde eignet sich hauptsächlich als Boden. Die Bevölkerung vergisst in ihrer Irrationalität, dass die größte Sicherheit vor der Haustür zu finden ist.“
„Tatsächlich? Deutsche Erde?“


Ingeborg Lehmann schmunzelt. „Unsere Bank ist ein fester Anker in Zeiten unsicheren Seegangs und Werteverlusts. Sie schafft einen Rahmen der Sicherheit, in dem selbst scheinbar unabsehbare Risiken, wie das Kinderkriegen, auf das Gründlichste geplant und abgesichert werden können. Zu keinem Zeitpunkt der Geschichte war dies in diesem umfassenden Rahmen möglich. Wir setzen auf nachhaltiges Wachstum im Asiatischen und Pazifischen Raum und fokussieren uns auf Innovationen und Kompetenzen. Die wichtigste Zielsetzung der 'Strategie 2015+' ist es, Werte für alle zu schaffen. Unsere Leistungskultur muss zugleich eine Kultur der Verantwortung sein. Die Sicherheit und Zufriedenheit unserer Kunden stehen im Mittelpunkt unseres Handelns. Transparenz und eine hohe Beratungsqualität sind für uns dabei entscheidend – dies garantiert unser Wertekodex, der Integrität und Glaubwürdigkeit unseres Handelns höchste Priorität einräumt.

„Richtig...Kompetenzen...“
„In der Tat, da gebe ich Ihnen vollends Recht. Ich würde Ihnen deshalb gerne mit Rat und Tat bezüglich Ihrer Rentenversicherung zur Seite stehen. Haben Sie Fragen oder möchten Sie gerne die aktuellen Vorteile unserer neue Premium-Riester-Rente kennenlernen? In welches Altersvorsorgemodell investieren Sie zur Zeit?“
„Ähm...da habe ich mir noch gar nicht so recht Gedanken gemacht, da ich ja noch studiere.“

Frau Lehmann fährt erschrocken auf. „Bedeutet das etwa, Sie besitzen noch keine Rentenversicherung?“
„Naja...“

„Sie studieren, das ist heute noch lange keine Garantie auf einen Arbeitsplatz. Als Student stehen Sie mit Sicherheit unter erhöhtem existentiellen Druck. Selbst als Manager ist es schwierig geworden. Wer sich nicht frühzeitig bemüht, bleibt in der heutigen Gesellschaft auf der Strecke. Sie müssen Ihre Zukunft schützend gestalten. Ich werde Ihnen helfen diesen Druck abzubauen. Darf ich fragen, was Sie studieren?“

„Also, eigentlich Philosophie und naja...“
„Philosophie... also, Sie können nun schließlich auch nicht in allem auf Ihren Lebenspartner vertrauen. Beziehungen sind unstethaft geworden. Auch Liebe ist an Bedingungen geknüpft und will geplant sein, glauben Sie mir. Altersarmut ist eine ernstzunehmende und wachsende Größe. Wer nicht vorzeitig einen sicheren Weg einschlägt, steht alleine da.“

Frau Lehmann öffnet Ihre Schreibtischschublade. Heraus kommt ein laminiertes Blatt mit drei kleinen Bildern eines Mannes in verschiedenen Altersstadien, das sie mir triumphierend über den Tisch zuschiebt. Neben jedem Bild befindet sich ein Text.

Mit 20 dachte ich, ich bin mitten in der Ausbildung und habe keine Möglichkeit in eine Rentenversicherung zu Investieren.
Mit 30 habe ich eine Familie gegründet und dachte, ich brauche nun all mein Geld für meine Kinder.
Mit 45 haben wir unser Haus gebaut, da konnte ich keinen Cent zurücklegen.
Heute ist es schwer geworden. Die Immobilienpreise sind gefallen, meine Kinder sind aus dem Haus, meine Rente wurde gekürzt. Ich wünschte, ich hätte besser vorgesorgt.


Ich blicke irritiert hoch. Frau Lehmann sieht ernstlich besorgt aus. Ich schaue auf die Uhr.
„Ich habe hier ein zehn Punkte-Papier für Sie vorbereitet. Es ist teil unseres Rundum-Sorgenfrei-Paketes „Angstfrei durch das Leben“ und heißt „Absichern und Vorsorgen“. Hier können Sie erkennen, wie Sie Ihre Zukunft sicher und schützend gestalten können.“
„Danke sehr, das ist lieb von Ihnen, dann nehme ich jetzt einfach das Papier und schaue es mir dann zu Hause an... also gründlich an.“, füge ich hinzu, als mich ein scharfer Blick trifft.

„Vielleicht sollten wir das Konzept lieber zusammen ausarbeiten. Der Kunde ist König und steht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit, weshalb ich ein individuell angepasstes und perfekt für ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Modell erarbeiten möchte. Bitte verraten Sie mir etwas über Ihren strukturellen Werdegang.“
„Struktureller....“
„Welche Stufen haben Sie durchlaufen? Wo liegt Ihre Zielsetzung, was planen Sie für Ihre Zukunft?“
„Ich studiere und treffe mich gerne mit Freunden, außerdem reise ich gerne, nach dem Studium wollte ich vielleicht nach Indien gehen oder Lateinamerika, ich weiß es noch nicht.“
„Indien? Sie wissen es noch nicht? Sie arbeiten nicht?“
„Doch, wenn ich Geld brauche, schon, aber soviel brauche ich eigentlich nicht.“
„Und Ihre Vorsorge? In jungen Jahren denen viele Menschen, sie könnten 'von der Hand in den Mund' leben. Im Alter rächt sich das.“


Sie greift erneut in Ihre Schublade. Ich blicke auf das Blatt, das sie mir hinschiebt. Es ist ein Kassenbon. Von 2040. Ein Einkauf von 283 Euro ist darauf zu sehen: Brot – 28, 50 €; Gouda – 36 €; Taschentücher 12, 18 €...



„Das ist ja alles hochinteressant und risikofrei, ich würde auch sehr gerne Ihr nachhaltiges Wachstum durch meine Rentenzahlung fördern und individuelle Werte für alle schaffen, nur wollte ich mir trotzdem noch ein bisschen Zeit lassen, ich weiß ja noch gar nicht, ob ich nächstes Jahr in Deutschland wohnen werde. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, mit der Beratung, eine hohe Qualität und sehr individuell, aber ich fürchte ich muss dann jetzt individuell nach Hause. Sie werden mir ja sicher per Post nochmal einen persönlichen Beratungstermin vorschlagen, das schafft schließlich auch viel Sicherheit. Es hat mich sehr gefreut.“
Pikiert schaut mir Frau Lehmann tief in die Augen. Langsam und nachdrücklich sagt sie: „Aber wir müssen doch Verantwortung übernehmen. Nachhaltiges Denken und Handeln. Absichern. Für Ihre Sorgenfreiheit stehen wir mit unserem Namen. Es ist das Ziel unser Beratung unsere Kunden von ihren persönlichen existentiellen Ängsten zu befreien... “


Ich sehe wie ihre Hand erneut zur Schublade wandert. Nervös springe ich so schwungvoll auf, dass der Designerstuhl gefährlich ins Wanken kommt. „Herzlichen Dank für ihre kompetente Beratung, Frau Lehmann, Sie sind wirklich sehr gewissenhaft und äh... ich wünsche Ihnen noch einen nachhaltigen und vorsorgenden Tag, oder wie man doch gleich sagt.“ Ich reiche ihr die Hand.




Streifzug Kim: Neulich beim Einkauf

Freitagabend wurde ich von meinen Freunden Oscar und Ginny zu einem "kleinen gemütlichen Kochabend" eingeladen. Das ganze gestaltete sich dann komplizierter als gedacht, weil sich zwischen meinen beiden Freunden sehr unterschiedliche Vorstellungen davon zeigten, was für so ein nettes kulinarisches Beisammensein wichtig ist.

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Wir trafen uns in Oscars schickem Apartment in Berlin Mitte, das sehr sauber und sehr ordentlich ist. Ginny begutachtete ein bisschen abschätzig Oscars Flachbildschirmfernseher und seine Stereoanlage, aus der Jazztöne klangen, Oscar warf einen leicht irritierten Blick auf Ginnys neuste Rastelocke am Kopf, die sie pink gefärbt hat – davon abgesehen saßen wir sehr harmonisch auf Oscars Balkon und genossen die Aussicht auf das abendlich erleuchtete Brandenburger Tor.

Die Komplikationen fingen an, als wir uns überlegten, was wir essen wollten. Oscars Menüvorschlag war Entenbrustfilet auf Rosmarinkartoffeln mit Sahnesauce. Ginny ist Veganerin. Das heißt, sie isst nichts, für das ein Tier in menschlicher Gefangenschaft leben musste. Sie erklärte uns, dass sie zwar der Gemeinschaft Willen bereit sei, für einen Abend Milchprodukte so wie Käse oder Sahne zu verzehren, sich aber keinenfalls ein Stück totes Tier in den Mund stecken würde.

Ich sah schon, wie Oscar sarkastisch die Augenbrauen hochzog und Ginny heimlich die Hände zu Fäuste ballte, was die typischen Anzeigen für eine lange und ausführliche Grundsatzdisskussion über die Vor- und Nachteile des Fleischverzehrs sind, die sich bis tief in die Nacht ausdehnen kann. Ginny beginnt dabei üblicherweise mit einer detailgetreuen Darstellung von Massentierhaltungslagern, in denen ehemalige Schnitzel und Würstchen vor sich hin leiden bevor sie auf unserem Teller landen, während Oscar die überlegene Stellung des Menschen über dem Tier lobpreist, die er hauptsächlich auf den menschlichen Fleischverzehr zurückführt. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Ginny und Oscar nach ihren Diskussionen jedes Mal noch etwas überzeugter von ihrem eigenen Standpunkt sind und anschließend ein paar Tage nicht mehr miteinander sprechen.

Zum Glück waren die beiden an diesem Abend zu erschöpft, um lange Monologe zu halten – Oscar von den Bankgeschäften die mal wieder äußerst komplex verliefen und Ginny von einer Demonstration bei der sie Stundenlang brüllend im Regen gestanden hatte. Deshalb einigten wir uns überraschend schnell auf Lasagne – Käseüberbackene Nudelplättchen in Tomatensauce und einer Hälfte mit zerbröckeltem Schwein für Oscar (Ginnys Worte), die andere Hälfte mit gummihafter Masse die nach Fleisch schmecken soll (Oscars Worte).

Größere Probleme bereitete dann leider der Einkauf der Zutaten, die wir für unser semi-vegetarisches Gericht benötigten. Zunächst stellte es sich als unmöglich heraus, einen Laden zu finden, der Ginnys und Oscars Ansprüche an einen Lebensmittelverkauf vereinen konnte.

Ginny bestand darauf, dass wir zumindestens Fleisch von Tieren kaufen, die in ihrem Leben schon mal frische Luft geschnuppert haben – und die gibt es ihr zufolge nur in sogenannten Bioläden. Dort kommt das, was man kauft, laut Ginny noch aus einem Stall oder vom Feld und nicht aus gigantischen Massenfabriken. Dafür sind diese Biomärkte wohl auch teurer als andere Läden und das passte Oscar natürlich gar nicht. Er fand das mit dem Fleisch zwar in Ordnung, lehnte es aber regement ab, den gesamten Einkauf in einem Biomarkt zu tätigen.

"Auf gar keinen Fall. Da zahlen wir doch mindestens das Dreifache. Und ich hab's gerade wirklich nicht so dicke. Die Bankgeschäfte laufen überhaupt nicht gut!"
"Man muss eben Prioritäten setzen", keifte Ginny. "Dann verzichte halt mal morgens auf deinen Starbucks Cappuchino. Das Essen im Biomarkt ist wenigstens nicht mit Giften vollgepumpt, so wie in allen anderen Supermärkten."

"Das Essen ist aber nicht meine Priorität", sagte Oscar. "Und von wegen Giften" - er warf Ginny einen kritischen Blick zu, die auf dem Balkon stand und an einer Zigarette zog - "deine Gesundheit kann dir ja auch nicht so wichtig sein, sonst würdest du sicher nicht rauchen."

Es ging noch ein bisschen so weiter und wir beschlossen letztendlich, die verschiedenen Zutaten an verschiedenen Orten zu kaufen. Zuerst besuchten wir einen Laden, der Oscar zufolge das beste Preis-Leistungs Verhältnis hatte.

In dem großen, fensterlosen Raum mit grellem Licht gab es sehr viel Essen. Das meiste war in Plastiktüten verpackt, sodass man den Inhalt gar nicht sehen konnte sondern nur ein Bild davon. Manchmal waren auf den Bildern auch ganze Pflanzen abgebildet (zum Beispiel Apfelbäume) oder essende Menschen, was mich sehr verwunderte; ich kann mir nicht vorstellen, dass die wirklich in den kleinen Verpackungen stecken sollten.
Die Gänge im Laden waren voller Menschen, die ihre Einkaufswägen bis oben hin beluden. Wir blieben vor einem Regal mit roten Dosen stehen, auf denen man Bilder von frischen Tomaten sah. Ginny und Oscar erklärten, dass sich in den Dosen tatsächlich Tomaten befanden die man draußen auf dem Feld geerntet hatte, die aber schon klein gehackt und Schalenbeseitigt waren. Die Tomaten in den Dosen werden nicht schlecht, man kann sie ewig zu Hause lagern und dann aufbrauchen, wenn man gerade nichts zu Essen da hat. Das ganze war mir zwar etwas suspekt, aber praktisch ist es schon, das muss ich sagen.


Oscar ging in die Hocke um die verschiedenen Preisschilder zu vergleichen und die billigste Konserve herauszusuchen. Ginny griff nach der Dose, die er auserwählt hatte und las sich mit zusammengekniffenen Augen die Inhaltsstoffe durch, also das, was man noch zu den Tomaten dazugemischt hatte. Dachte ich mir doch, dass die sich nicht auf magische Weise so lange halten.

"Aha, siehst du mal – Zucker", sagte sie abschätzig. "Und versteckte Fette. Die nehmen wir nicht."
Sie griff nach einer anderen Dose, auf der das Bild ein bisschen schöner aussah. Dafür kostete sie auch zweiundvierzig Cent mehr.
"Da hast du haargenau das gleiche", sagte Oscar in sarkastischem Ton. Sieht nur netter aus."
"Dann müssen wir eben alles bio kaufen", fauchte Ginny.

So ging es noch eine Weile weiter zwischen den beiden. Letztendlich kauften wir die Billigdosentomaten, Lasagneblätter und Käse, der sogar bereits gerieben war. Erstaunlich, wie viel Arbeit einem in so einem Supermarkt schon abgenommen wird. Oscar fand das überhaupt nicht erstaunlich; er erklärte mir, dass es ganze Mahlzeiten gibt die im Laden schon so weit fertig sind, dass man sie zu Hause nur noch aufwärmen muss. Richtige Gerichte wie Lasagne oder Pizza! Oscar zeigte mir ein paar dieser Fertigmahlzeiten in einer kalten Truhe, in der tatsächlich kleine Kartons lagen auf denen man ein Stück Lasagne mit frischen Kräutern und tropfendem Käse sah. "So was kriegt man, wenn man den kleinen Karton in den Ofen schiebt?" Ich konnte es nicht glauben. "Wieso nehmen wir nicht einfach das, anstatt alle Zutaten einzeln zu kaufen und mühsam vorzubereiten?"

"So toll schmecken tut das nicht", gab Oscar zu.
"Und außerdem ist es wahnsinnig ungesund", ergänzte Ginny.

Wir mussten Tomaten, Käse und Nudelblätter auf ein langes Band legen, hinter dem eine Frau saß die alles über eine kleine Maschine zog. Dabei machte die Maschine ein schrilles und unangenehmes Geräusch, das aber niemanden zu stören schien. Ich begrüßte die Frau und sie nickte mir ein bisschen genervt zu. Es war hier wohl nicht üblich, sich zu grüßen. Vielleicht war sie auch überfordert, weil sie gleichzeitig in wahnsinniger Geschwindigkeit unsere Sachen über das Band schob. Ich hätte ihr gerne gesagt, dass sie sich nicht so zu beeilen brauchte, wir hatten ja alle Zeit der Welt, aber da brummte sie schon eine Zahl vor sich hin und Oscar steckte ihr einen Geldschein entgegen.
 "Wir teilen das später durch drei", sagte er zu uns und wir zogen weiter.

Da Ginny gerne Pinienkerne für die Lasagne wollte aber es in dem billigen Markt keine gab, gingen wir anschließend in einen anderen großen Laden, der dem ersten ähnlich war – nur dass hier alles etwas schöner aussah. Das Deckenlicht war warm, Obst und Gemüse glänzten frisch und die Kassen waren fast leer.
 Die Menschen wirkten ein bisschen entspannter und ihre Wägen waren nicht ganz so vollgestopft.
Der Laden war noch größer als der erste und es gab noch viel mehr Auswahl. Ich glaube, man konnte hier fast jede Art von Nahrung erwerben die irgendwo auf der Welt wächst oder hergestellt wird. Selbst Himbeeren und Annanas, dabei war es tiefster Winter! Für jedes Lebensmittel gab es mindestens sechs verschiedene Variationen mit unterschiedlichen Preisen und unterschiedlichen Verpackungen. Es gab bestimmt zehn verschiedene Arten von Tomatenkonserven. Ginny und Oscar schienen den Laden beide nicht so zu mögen.

"Alles ist doppelt so teuer, nur weil es nett hergerichtet ist", brummte Oscar.
Ginny stimmte ihm ausnahmsweise zu. "Wenn man schon bereit ist, mehr Geld für Essen auszugeben, dann sollte man ja wohl das kaufen, was unter guten Bedingungen hergestellt wurde und nicht mit Giften vollgepumpt ist. Nicht das, was einfach nur schön aussieht."
"Tja", sagte Oscar, "so funktioniert der Mensch eben. Zuerst entscheidet der Preis, dann das persönliche Einkaufserlebnis. Wer ist schon bereit, mehr Geld zu zahlen, wenn er selbst nichts davon hat?"
"Man hat ja wohl sehr viel davon, Gemüse ohne Gift zu essen!"

Oscar verdrehte genervt die Augen. "Es ist aber anstrengend, dauernd darüber nachzudenken wo welche Gifte versteckt sind und was ungesund ist und was nicht. In der Zeit beschäftige ich mich lieber mit wichtigeren Dingen."
"Aber man sollte ja wohl wenigstens darüber nachdenken, ob für das, was man kauft, jemand leiden musste. Wenn Tiere gequält werden oder Menschen ausgebeutet", Ginny zog das Wort bedeutsam in die Länge, sie benutzt es sehr häufig, "dann kann man doch ruhig mal vierzig Cent mehr bezahlen, um so etwas nicht zu unterstützen."

"So denkt der Mensch aber nicht. Dinge, die nicht kausal zu erkennen sind, lösen keine emotionale Wirkung aus, deshalb wird ihnen auch keine primäre Wichtigkeit zugemessen." Oscar sah uns mit dem gleichen Blick an, mit dem er uns manchmal etwas über das Bankwesen erklärt. "Wenn wir etwas kaufen, dann sehen wir ja nicht, welche Auswirkungen das für irgendwelche Bauern oder Tiere hat. Deshalb ist es den Leuten auch herzlich egal." Er warf Ginny ein triumphierendes Lächeln zu.
"Sehr traurig", sagte Ginny.

"Tja, so ist es aber. Deshalb macht es auch keinen Sinn, das Wesen des Menschen verändern zu wollen, so wie ihr es mit euren nerventötenden Demonstrationen und diesem ganzen linken Zeugs versucht. Man sollte lieber selbst schauen, wie man am besten zurecht kommt."
Ginny schüttelte heftig den Kopf, sodass ihre Rasterlocke hin und her flog. "Das sehe ich aber ganz anders. Warum gibt es denn plötzlich so eine große Nachfrage an Bioprodukten? Wieso ändern sich überhaupt Dinge in der Welt?..." (Und so weiter).

Es war also doch nicht ganz möglich, dem alltbekannten Streitgespräch zu entkommen, das bei Ginny und Oscar irgendwann immer in einer Grunddebatte über Menschenbilder und Moral endete. Ganz egal, worüber die beiden redeten. Selbst wenn es um so profane Dinge wie das Wetter oder Sockenkauf ging.
Ich war ein bisschen erleichtert, als wir den letzten Einkaufsort betraten. Ein kleines Lädchen, in dem es nach Holz und Seife roch. Es gab weit weniger Auswahl als in den Läden davor, nicht alles steckte in Papier und Plastikfolie und es gab nur eine einzige Kasse, hinter der ein Mann mit Schürze stand. Er begrüßte uns sogar beim Hereinkommen.

Oscar suchte im Kühlregal nach seinem Fleisch, Ginny stand daneben und murmelte ein paar Kommentare vor sich hin. "Der gute Geschmack von Fleisch ist wirklich kein hinreichendes Argument für das unendliche Leid der Tiere, das wir dafür in Kauf nehmen."

Oscar nahm genervt die Hackfleischpackung in die Hand und spielte damit vor Ginnys Nase herum, dabei stieß er ein leises Quiken aus. "Guck mal, ich war mal ein Schweinchen, ich wurde geschlachtet. Und jetzt lande ich gleich auf Oscars Teller. Muahahaha." Er lachte.
Ginny kaufte ihren Fleischersatz, der sogar einen Namen hatte: Hackepeter.
Dann liefen wir endlich zurück zu Oscars Wohnung und begannen das gemütliche Beisammensein.